Gemeinden
Offene Gemeinden

Viele reformierte, christkatholische und methodistische Kirchgemeinden heissen Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle ausdrücklich willkommen, ohne Wenn und Aber. Es wird also weder eine Umpolung noch lebenslange Enthaltsamkeit gefordert. Viele betroffene Christen haben hier ihre Heimat gefunden und sind vollständig ins Gemeindeleben integriert. In der Regel sind Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare möglich und Homosexuelle dürfen in kirchlichen Ämtern arbeiten. Das alles ist in städtischen Gebieten in den meisten Gemeinden der erwähnten Konfessionen selbstverständlich, besonders im Raum Zürich und Winterthur. Es ist dennoch nicht ganz auszuschliessen, dass es vereinzelt Anfeindungen geben kann oder dass sporadisch über das Thema gestritten wird.

Die Freundschaft dieser Konfessionen gegenüber der Gay Community geht so weit, dass sie – zumindest in Zürich – für schwul-lesbische Anlässe ihre Gotteshäuser zu günstigen Konditionen oder unentgeltlich zur Verfügung stellen. Dadurch ist es möglich, dass die Regenbogen-Gottesdienste und die Gottesdienste des Zurich Pride Festivals im würdigen Rahmen stattfinden können.
Auch in mehreren römisch-katholischen Gemeinden werden offen lebende Homosexuelle liebevoll aufgenommen. Das Gleiche gilt für mässig liberale Freikirchen wie Lutheraner oder Baptisten. Man trifft es an, dass die regionale Gemeindeleitung und die Basis nicht an der Verdammung festhält, welche ein höheres Leitungsgremium vorschreibt. Dies kann allerdings nachträglich zu Problemen führen. Im schlimmsten Fall wird die einzelne Ortsgemeinde gezwungen, wieder zur vollumfänglichen Verurteilung der Homosexualität zurückzukehren.
Ablehnende Gemeinden

Im Allgemeinen wird in der römisch-katholischen Kirchenführung sowie in stark evangelikalen Freikirchen ausgelebte Homosexualität – selbst innerhalb einer treuen Partnerschaft – als Sünde verurteilt. Homosexuelle leben deshalb versteckt und es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ein Doppelleben zu führen. In fundamentalen Gemeinden teilt die Basis oftmals die strenge ablehnende Haltung der Gemeindeleitung. Dort, wo man aufgrund futuristischer Gottesdienstformen den Eindruck gewinnen könnte, in einer fortschrittlich denkenden Gemeinde zu sein, trügt der Schein. Besonders diese Gruppen halten meistens an einem Buchstabenglauben fest.
Gewisse Freikirchen behaupten zwar, dass Homosexuelle bei ihnen willkommen sind, fordern dann allerdings entweder eine Umpolungstherapie oder völlige Enthaltsamkeit. Betroffene empfinden die Mischung aus Annahme und Urteil als Widerspruch. Wer den Forderungen der Gemeinde nicht nachkommt, muss damit rechnen, ausgegrenzt zu werden. Bei wem die Therapie – wie in den meisten Fällen – nichts verändert, wird dann einfach damit abgefertigt, dass sein Glaube zu wenig tiefgründig sei.

Was Ausgrenzung und Hinausmobben betrifft, stellt sich die Gemeinde niemals die folgende Frage: Welche Sünde wiegt schwerer; diejenige, die die Gemeinde mit der Ausgrenzung auf sich lädt, oder die (angebliche) Sünde des Betroffenen im Zusammenhang mit seiner Homosexualität? Es wird ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass die wörtliche Befolgung der biblischen Gesetze automatisch dem Willen Gottes entspricht – genau so, wie es die Pharisäer gehandhabt haben. Mit der Auslegung des Sabbatgebots und vielen anderen Beispielen zeigt Jesus jedoch, dass es nicht um die wörtliche Auslegung der Gebote, sondern um einen tieferen Sinn geht.
Aus folgenden Gründen tun sich Gemeinden oftmals mit Homosexualität so schwer:
- Weil es einzelne Bibelstellen gibt, die auf den ersten Blick Homosexualität grundsätzlich zu verdammen scheinen – und sich nur wenige intensiver mit diesen Aussagen auseinandersetzen.
- Weil viele davon gehört haben, dass es einige gibt, die Gott von ihrer Homosexualität geheilt hat – und nicht die Frage stellen, warum Gott so viele andere trotz intensiver Bemühungen nicht ‚befreit’.
- Weil viele glauben, dass sich Homosexuelle freiwillig für diese sexuelle Ausrichtung entscheiden – und dabei nicht bedenken, dass sich keiner für Diskriminierung entscheidet, wenn er die Wahl hätte.
- Weil viele ein von den Medien geprägtes Klischeebild im Kopf haben – und diese lieber über schrille, tuntige und perverse als über normale Homosexuelle berichten.
- Weil homosexuelle Menschen sich in Gemeinden verleugnen müssen – und viele Christen deshalb scheinbar keine Lesben und Schwulen persönlich kennen.
Unsere Ziele
Als Emanzipationsbewegung sprechen wir mit, wenn in Kirche und Gesellschaft über Homosexualität diskutiert wird. Wir möchten bei unseren Glaubensgeschwistern das Bewusstsein schaffen, dass die Liebe zwischen zwei Menschen des gleichen Geschlechts vor Gott denselben Stellenwert hat wie die Liebe zwischen Mann und Frau. Wir wünschen uns in den Gemeinden zunächst eine positive Bewertung gleichgeschlechtlicher Liebe und schliesslich auch die Segnung homosexueller Paare. Ausserdem sind wir überzeugt, dass auch gleichgeschlechtlich liebende Menschen in kirchlichen Ämtern und Aufgaben zum Segen der Gemeinde wirken können.

Man kann feststellen, dass in mehreren Kirchen ein Prozess des Umdenkens beginnt oder bereits stattfindet. Es wird wieder öfter die Botschaft Christi gepredigt von wahrer bedingungsloser Liebe und Annahme, von einer echten Beziehung zu Gott und nicht mehr von äusserlicher Schau und Schein-Heiligkeit. Immer mehr Gemeinden erkennen, dass Gott bedingungslos liebt, dass er nicht ausgrenzt und dass er zu seiner Schöpfung steht. Auch dass wir uns diese Liebe nicht erarbeiten können und uns nicht gewaltsam verbiegen und umpolen müssen, um ihm zu gefallen. Gott liebt dich, so wie du geschaffen worden bist. Wir wollen dich ermutigen, indem wir dir immer wieder sagen: Es wird besser!